24 Feb Mindestlohn – Segen und Fluch
Die heimische Erdbeere als Delikatesse für Betuchte?
Zu einem vom Bauernverband „Börde“ initiierten Disput zum Thema „Mindestlohnerhöhung auf 12 Euro“ trafen sich vor kurzem Arbeitgeber aus der Börde mit dem Vorsitzenden des Land- und Forstwirtschaftlichen Arbeitgeberverbandes Sachsen-Anhalts e.V. Albrecht Freiherr von Bodenhausen.
Ab 1. Oktober 2022 soll der Mindestlohn 12 Euro betragen, so plant es das Bundesministerium für Arbeit und Soziales. Das ist für die Arbeitnehmer eine tolle Sache, bringt aber viele Arbeitgeber in Schwierigkeiten.
Seit dem 1.1.2022 liegt der Mindestlohn bei 9,82€. Am 1.7.2022 wird er auf 10,45€ erhöht und ab Oktober auf 12€. Das wäre eine Erhöhung um 15 Prozent. Mit den Lohnnebenkosten erhöhe sich der Stundenlohn auf 15,35€, so von Bodenhausen. „Als 2015 der Mindestlohn eingeführt und auf 8,50€ festgelegt wurde, wanderte der handarbeitsintensive Gurkenanbau ins Ausland ab. Der Strukturwandel in der Landwirtschaft wird sich durch die massive Erhöhung weiter beschleunigen“, prophezeit von Bodenhausen. Eigentlich ist er dafür, dass Arbeitnehmer besser bezahlt werden, aber er schätzt, dass es erhebliche Folgen für die Betriebe hat, wenn durch staatliche Lohnlenkung das gesamte Lohngefüge ins Wanken kommt.
„Wenn der Stundenlohn für Facharbeiter nur knapp darüber liegt, würden diese den geringen Unterschied zu Ungelernten nicht hinnehmen und mehr Geld fordern.“ Außerdem sei für ihn die zeitliche Festlegung der Mindestlohnerhöhung eindeutig wahlgesteuert. Das dürfe nicht sein. Eigentlich war deshalb die Mindestlohnkommission ins Leben gerufen worden, die so ad absurdum geführt wird. Nicht zuletzt sei die Nichtbeachtung der verfassungsrechtlich garantierten Tarifautonomie von Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden unzulässig.
Im landwirtschaftlichen Bereich sind besonders Sonderkulturbetriebe wie Spargel- und Erdbeeranbauer betroffen, die Saisonarbeitskräfte beschäftigen. Aber auch Tierhaltungsbetriebe beschäftigen oft Fachfremde im Niedriglohnbereich.
„Bei uns sind das meist Ungelernte, die nach der Arbeit wieder in ihr Heimatland zurückkehren und im nächsten Jahr wiederkommen“ fasst es Klaus-Dieter Gummert von der Firma „Erdbeergummert“ aus Erxleben zusammen. „Erdbeerpflücken, Sortieren und Abpacken sind handarbeitsintensive Tätigkeiten, für die man keine Ausbildung benötigt. Für uns bedeutet die Erhöhung des Mindestlohns in dieser Saison bereits eine Kostensteigerung von etwa 160.000€. Wenn ich das auf das Kilo Erdbeeren umlege, es würde dann bei 10 bis 11€ liegen, wird sie keiner mehr kaufen.“ Dabei hat er schon in eine Maschinenhacke investiert, um die Lohnkosten zu senken. Auch die Investitionen um Corona, zum Beispiel einen Quarantänecontainer, Extraduschen und so weiter, belasten den Betrieb enorm.
Paul Neufeldt, Geschäftsführer des landwirtschaftlichen Lohnunternehmens Jeromin Agrar, sieht genau das Problem auf sich und seine Kunden zukommen: „Es ist wichtig Leistung zu bezahlen. Aber die Ausbildung der Fachkraft gegenüber der ungelernten Kraft durch höheren Lohn anzuerkennen wird für den Arbeitgeber mit dem erhöhten Mindestlohn schwieriger.“ Und obwohl Neufeldt seine ausgebildeten Fachkräfte ordentlich entlohnt, sieht er ein Problem auf sich zukommen: „Auch bei mir werden die Mitarbeiter dann höhere Löhne fordern. Das muss ich an die Landwirte weitergeben und die haben ohnehin schon mit ordentlich steigenden Betriebsmittelkosten zu kämpfen.“
„Mindestpreise sollte die Politik durchsetzen“,
so Jörg Stottmeister, Chef der Rinderhaltung der APGmbH Bösdorf/Lockstedt. „Das sei doch wichtiger. Auch eine Förderung zum Kauf von moderner Technik wäre hilfreich.“ Für das Vorstandsmitglied im Bauernverband „Börde“ steht die Frage im Vordergrund, wie die Landwirte mit den höheren Kosten umgehen sollen, wenn doch der Verbraucher zum größten Teil gern billig kaufe. Die Politik arbeite gegen die kleineren Familienbauernhöfe, die sich keine Melkroboter leisten können. Nur vom Idealismus könne auch der Bauer mit seinen unterbezahlten Familienmitgliedern nicht leben. Stottmeister fasst es so zusammen: „Das ist eine Spirale, die sich nur noch weiter hochdreht.“
Von Bodenhausen befürchtet zudem, dass insbesondere arbeitsintensive Ökobetriebe mit dem erhöhten Mindestlohn ausgebremst würden. Gerade diese sollten doch aber, politisch gewollt, zukunftsfähig ausgebaut werden. „Es ist auch beschämend, wenn in Familienbetrieben die Familienarbeitskräfte für weit weniger als Mindestlohn arbeiten. Dies wird ein ungewollter sich verstärkender Effekt sein, den angestiegenen Mindestlohn abzumildern. Die Gesamtbelastung in der Landwirtschaft muss im Auge behalten werden und Betriebe dürfen finanziell nicht überbelastet werden.“
Für von Bodenhausen, der selbst einen Landwirtschaftsbetrieb leitet, sei die Belastung der deutschen Arbeitgeber durch die Erhöhung des Mindestlohnes auf 12€, insgesamt 1,63 Milliarden Euro, ein weiterer Schritt zur Erhöhung der Inflationsrate. „Der Staat tut nichts dazu, aber die Sozialeinnahmen steigen um 700 Millionen Euro.“
Zu einem Gespräch über die geplante Mindestlohnerhöhung auf 12€ trafen sich, von links:
Jana Unger (Geschäftsführerin Land-und Forstwirtschaftlicher Arbeitgeberverband Sachsen-Anhalts e.V. / agv-sa), Paul Neufeldt (Jeromin Agrar), Albrecht Freiherr von Bodenhausen (Vorsitzender des agv-sa), Jörg Stottmeister (APGmbH Bösdorf/Lockstedt), Klaus-Dieter Gummert (Erdbeergummert)